Unverpacktverband Deutschland Branchenbericht Unverpacktläden

Status Quo der Branche: Wie ist die Lage der Unverpacktläden?

Als Vorständin für Öffentlichkeitsarbeit ist Chrissi Holzmann verantwortlich dafür, Presseanfragen zu beantworten und Interviews zu geben. Welche Fragen sie besonders häufig hört, welche Fragen sie sich wünschen würde und wovon sie auch mal genervt ist, erläutert sie in diesem Lagebericht zur Unverpacktbranche.

Der Unverpackt e. V. ist der Branchenverband der Unverpacktläden in Deutschland. Seit 2018 vertreten wir die Interessen unserer Mitgliederläden und fördern deren ideellen, rechtlichen, wirtschaftlichen sowie arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Anliegen. 

Wenn wir von unseren Mitgliederläden sprechen, meinen wir derzeit 169 an der Zahl. Ja, diese Zahl war schon einmal größer: unseren Peak hatten wir Mitte 2022 mit etwas über 340 Unverpacktläden. Man muss also nicht Einstein sein, um zu sehen, dass sich die Anzahl seither fast halbiert hat. Gleichzeitig ist im kollektiven Bewusstsein schon verankert, dass Anfang 2020 der Anfang einer Stapelkrise war: die Pandemie, der russische Angriffskrieg in der Ukraine, Inflation, Rechtsruck weltweit und ein gerade erst beginnender Handelskrieg, der die Auswirkungen auf Lebensmittelpreise hierzulande erst noch in vollem Umfang zeigen wird. Die letzten fünf Jahre waren also alles andere als leicht – allerdings nicht nur für die Unverpacktbranche.

Was als Krise in Sachen Nachhaltigkeit dargestellt wird, ist ein branchenübergreifendes Problem

Laut dem Handelsverband Deutschland haben seit 2020 46.000 Läden bundesweit ihre Türen geschlossen. Egal ob Bücherladen, Modegeschäft oder Floristik. In den Innenstädten gibt es so viel Leerstand wie noch nie. Von der Pandemie befeuert, ist ein noch stärkeres Wachstum des Onlinehandels zu verzeichnen und wer sich tatsächlich noch auf den Weg zum stationären Einzelhandel macht, bevorzugt One-Stop-Shopping – also Einkaufszentren oder die Supermarktgiganten, bei welchen von Lebensmitteln über Sonnenbrillen bis hin zu Bürobedarf tatsächlich alles erhältlich ist. So fällt der Einkauf im Schreibwarengeschäft, in der Weinhandlung oder eben im Unverpacktladen schon mal hinten runter, einfach, weil sich unsere Gewohnheiten geändert haben. Ohne (ausreichend) Kundschaft müssen Geschäfte schließen, so einfach ist das.  Wer auch weiterhin in einer belebten Innenstadt flanieren möchte, die nicht ausschließlich mit den immer gleichen Logos der Großkonzerne verziert ist, darf diese Gewohnheiten gerne hinterfragen.

Unsere Branche ist noch jung

Ebenfalls branchenübergreifend gibt es Neugründungen, Start-Ups und Eröffnungen – genau wie Unternehmen, die eben diese Vorhaben innerhalb der ersten fünf Jahre wieder aufgeben. Mutige Menschen haben Ideen und Visionen, die sie in die Tat umsetzen und nach einiger Zeit feststellen müssen, dass sie in der Realität nicht tragfähig sind. Falscher Standort, falsche Kalkulation, falsche Erwartungen oder schlicht eine sich ändernde Lebenssituation führen dazu, dass Neugründungen nicht bestehen bleiben. Blicken wir auf Restaurants: 60 % schließen innerhalb des ersten Jahres und unglaubliche 80 % innerhalb von fünf Jahren nach der Eröffnung. Wer käme deshalb auf die Idee, das Konzept eines Restaurantbesuchs in Frage zu stellen? 

Die meisten Unverpacktläden haben Ende 2019 und Anfang 2020 eröffnet. Wir sprechen also von einem Zeitraum von gerade einmal 5,5 Jahren. Vor einer gewissen Konsolidierung sind auch die Gründer:innen in unserer Branche nicht gefeit – auch und auch weil unser Idealismus oft größer ist, als die Vorerfahrung im Einzelhandel. 

Läden öffnen und schließen. Mit einem Misserfolg unserer Branche haben diese Zahlen nichts zu tun. Wer sich davon überzeugen möchte, ist herzlich eingeladen, unsere überaus erfolgreichen und bestehenden Mitgliederläden zu besuchen.

Ein neues Narrativ wird verfestigt - und trägt Verantwortung für öffentlichen Wahrnehmung

Jessica Schilcher, Inhaberin des ehemaligen Unverpacktladens Ohne Schmarrn in Markt Indersdorf, hat sich Anfang 2024 sehr darüber gefreut, dass sich Nachwuchs ankündigt. Der Laden hatte sich nach drei Jahren gut im Ort etabliert und Jessica freute sich über einen immer noch wachsenden Kund:innen-Stamm. Gleichzeitig war klar, dass sie ihr Geschäft mit Kind nicht so weiterführen kann, wie bisher und sie suchte deswegen das Gespräch mit ihrem Vermieter, denn eine Person, die den Laden übernehmen wollte, gab es schon. Der Vermieter musste der neuen Mieterin lediglich zustimmen und den Mietvertrag umschreiben. “Unverpackt hat doch keine Zukunft. Das liest man doch überall in der Presse. Da mache ich mit Ihnen lieber einen Aufhebungsvertrag und suche nach einem anderen Mieter.” So seine Aussage. Jetzt befindet sich in den Räumlichkeiten übrigens ein Versicherungsmaklerbüro. 

“Unverpackt packt ein”. “Immer mehr Unverpacktläden schließen”. “Eine Branche in der Krise”. Medienschaffende titeln mit solchen Schlagzeilen und füttern die eigentlich schon krisengesättige Leserschaft. Sie vergessen, dass sie als vierte Gewalt Verantwortung tragen für die Wahrnehmung in der Bevölkerung. Während es 2019 noch hieß: “Gehen wir alle unverpackt einkaufen, auch wenn es vielleicht aufwendiger und hochpreisiger ist als im Discounter – die Qualität ist hervorragend und wir können damit aktiv etwas gegen die Plastikkrise tun!”, heißt es jetzt “Wer kann es sich noch leisten, unverpackt einkaufen zu gehen?”. Schlechte Nachrichten performen, Stimmungsmache und Clickbait. Jede:r Texter:in weiß um die Wichtigkeit von Syntax:

Unverpackt einkaufen ist zwar hochpreisiger und mag aufwendiger sein, aber es macht Spaß und die Qualität ist super versus Unverpackt einkaufen macht zwar Spaß und die Qualität ist super, aber es ist aufwendig und hochpreisig. Gleiche Wortwahl – völlig andere Rezeption.

Statt Gegenwind: Rückenwind für den Wandel im Einzelhandel

Für uns Ladner:innen, unsere Branche und nicht zuletzt für Klima und Umwelt wäre es ein großes Win, wenn Medienschaffende sich wieder auf den Mehrwert unserer Mitgliederläden konzentrierten, statt sie tot zu sagen. Klima- und Umweltschutz sind schließlich kein Nice-to-Have, sondern existenzielle Notwendigkeit für uns und alle Generationen, die nach uns kommen. Wir Inhaber:innen von Unverpacktläden setzen uns in unserem Handel(n) tagtäglich für Ressourcenschutz ein und machen uns gegen die Plastikkrise stark. Wir übernehmen damit Aufgaben, die wir gerne staatlich berücksichtigt sehen würden – solange dies nicht der Fall ist, wäre Rücken- statt Gegenwind und somit ein Fokus auf unsere Benefits durch Medienschaffende mehr als hilfreich:

Darauf, dass wir 84 % Verpackungsmüll einsparen, Kreislaufwirtschaft vorantreiben, regionale und ökologische Landwirtschaft fördern, kleinen Produzenten und Lieferantinnen einen Absatzmarkt bieten, Transportemissionen gering halten, Bildungsarbeit im Kiez leisten, Leuchtturmprojekte starten, Multiplikatoren und Starterinnen von “Engelskreisen” sind. Wir sind uns unserer Verantwortung als Gatekeeper im Einzelhandel bewusst und wählen die Produkte für unser Sortiment voller Sorgfalt und mit Wissen über den sozialen und ökologischen Impact – wie krass wäre es, wenn es im Journalismus ähnlich wäre?! 

Seid unsere Allies und berichtet über unseren Impact – mit eurem Impact. Wir freuen uns darauf.

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Chrissi Holzmann

Über die Autorin: Chrissi betreibt das Servus Resi im Münchner Süden und freut sich, damit ihre Nachbarschaft jeden Tag ein Stückchen nachhaltiger gestalten zu können. Sie ist im Vorstand des Verbandes und kümmert sich um alles rund um Marketing und PR. In zahlreichen Interviews mit Medienschaffenden zeigt sie auf, warum unverpacktes Einkaufen nicht nur Freude bereitet, sondern eine funktionierende Lösung für die Krisen unserer Zeit bietet.
Du hast noch Fragen? Kontaktier mich unter pr@unverpackt-verband.de.

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