Zum Hier-Essen oder zum Mitnehmen?

Warum diese Frage gestellt wird, was sie mit Steuersätzen zu tun hat und warum es längst Zeit ist, ihre Berechtigung auf den Kopf zu stellen.

McDonalds, eines der größten Wirtschaftsunternehmen weltweit und gleichzeitig einer der größten Einwegverpackungsgiganten, stellt diese Frage nicht ohne Grund. Denn wenn sich die Person an der Kasse dazu entschließt, den Cheeseburger to go statt to stay zu konsumieren, bleiben für McDonalds über zehn Prozent mehr Umsatz in der Kasse: wird der Burger im Restaurant gegessen, bietet McDonalds per Gesetz eine Dienstleistung an und muss den Regelmehrwertsteuersatz von 19 % abführen: von 2,50 € bleiben 2,10 € netto in der Kasse. Beim Außer-Haus-Verkauf wird der Burger nicht mit Dienstleistung, sondern als Lebensmittel verkauft und McDonalds muss lediglich den verringerten Steuersatz von 7 % abführen und verdient pro Burger 2,34 €.

Was juckt uns das aber als Unverpacktverband? Nun, man könnte sagen, dass es in der Müllbilanz von McDonalds keinen nennenswerten Unterschied macht, ob die ganzen Einwegverpackungen für Fritten, Cola & Co. zusätzlich in einer Papiertüte landen oder nicht. Die Tatsache aber, dass die umweltschädlichere Variante, die im To-Go-Bereich bei vielen anderen Gastronomien überhaupt erst Einwegverpackungen nötig macht, steuerbegünstigt ist, lässt uns doch das System und dessen Sinnhaftigkeit in Frage stellen.

Hinzu kommt: Die Plastikproduktion treibt die Klimakatastrophe an. Kunststoffe sind ein fossiles Produkt: ihre Herstellung ist energieintensiv und verursacht erhebliche Treibhausgasemissionen. Laut UN-Umweltprogramm werden heute 430 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr produziert – zwei Drittel davon werden nach kurzer Nutzung zu Abfall. Und die Prognose ist alarmierend: Bis 2060 könnte sich die Menge verdreifachen.

Als Unverpackt-Bewegung sehen wir jeden Tag, dass Lösungen längst existieren: Unverpackt statt Wegwerfplastik, Wiederverwendung statt Einweg. Doch ohne politische Leitplanken bleibt das freiwillig. Und das reicht nicht – wir brauchen verbindliche Vorgaben, die die Produktion von Plastik reduzieren und Mehrweg fördern. Auch die Mehrheit der Staatengemeinschaft hat das erkannt: Die Mitgliedsstaaten der UN haben 2022 das UN-Umweltprogramm beauftragt, die Verhandlungen für ein Plastikabkommen zu organisieren.

Das System ohne System

        19 % Mehrwertsteuer ist der Regelsteuersatz in Deutschland. Er gilt für (fast) alle Waren und Dienstleistungen sowie für Getränke.

        7 % ist der ermäßigte Mehrwertsteuersatz. Er gilt z.B. für Bücher und Zeitschriften, das Ticket fürs Theater oder Konzert und für Grundnahrungsmittel.

        Milch gilt als Grundnahrungsmittel und wird mit 7 % besteuert. Haferdrink gilt als Getränk und wird mit 19 % besteuert.

        Ein Cappuccino enthält mehr Kaffee als Milch und gilt als Getränk. 19 %, egal ob er im Restaurant oder To Go konsumiert wird.

        Ein Latte Macchiato enthält mehr Milch als Kaffee und gilt als Nahrung. 19 % bei Verzehr im Restaurant – 7 % bei To Go.

        Ein Latte Macchiato mit Haferdrink gilt immer als Getränk und wird auch To Go mit 19 % versteuert.

        Trüffel und Austern gelten mit 7 % als Grundnahrungsmittel – Mineralwasser enthält als Getränk 19 % Mehrwertsteuer.

Die Fraktion „Die Linke“ hat im Mai im Bundestag einen Antrag auf Änderung dieses Systems gestellt. Sie forderte eine komplette Streichung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel (zu welchen zeitgemäß auch Milchersatzprodukte gehören sollten), Hygieneprodukte sowie auf Fahrten im Regional- und Fernverkehr sowie die Einrichtung einer Preisaufsicht, die kontrolliert, dass die günstigeren und somit zugänglicheren Preise tatsächlich auch bei den Verbraucher:innen ankommen. In unserem Fast-Food-Beispiel würde das bedeuten, dass nicht McDonald sich die Taschen mit 24 Cent mehr pro Burger füllt, sondern der Burger letztendlich 2,25 € statt 2,50 € kosten würde.

Die Bundesregierung hat den Antrag der Linken übrigens abgelehnt. 

Foto: Annika Schüte

Als Unverpacktverband stellen wir uns die Frage nach dem Warum. Warum schafft es die Regierung, einen bürokratisch aufwendigen Einwegkunststofffond und eine zu nichts führende Mehrwegangebotspflicht zu schaffen statt es der Bevölkerung durch monetäre Anreize und finanzielle Zugänglichkeit zu erleichtern, die nachhaltige Alternative zu wählen? Warum funktioniert es, während der Coronapandemie mit der Leichtigkeit eines Mausklicks eine Energiesteuersenkung auf Benzin und Diesel einzuführen dies hat den Bundeshaushalt etwa 4,8 Milliarden Euro gekostet und vor allem die Besserverdienenden entlastet und erscheint es gleichzeitig undenkbar, im Angesicht der weltweiten Müllkrise verpackungsarmen Konsum steuerlich zu fördern?

Wir fordern die Streichung der Mehrwertsteuer auf unverpackte Produkte und solche in Mehrweggefäßen.

Als unverpackt definieren wir lose Ware wie Obst, Gemüse und Backwaren und solche, die aus einem Großgebinde in eine selbstmitgebrachte Verpackung abgefüllt wird. Großgebinde enthalten mindestens das zehnfache der haushaltsüblichen Menge.

Ein Kilo Plastik verursacht mindestens das zehnfache seiner Herstellungskosten an externalisierten Kosten oder anders ausgedrückt: Die Kunststoffindustrie verkauft Plastik für 1 € und für uns als Gesellschaft entstehen Kosten in Höhe von 10 € (Abfallmanagement und Entsorgung, Klima- und Umweltfolgekosten, Gesundheitsfolgekosten)! Damit bezahlen wir gesamtgesellschaftlich – wenn nicht jetzt schon dann alle nachfolgenden Generationen – einen zu hohen Preis dafür, dass sich die fossile Industrie durch die Kunststoffherstellung die Taschen vollmacht und unsere Lebensgrundlage im wahrsten Sinne des Wortes zumüllt.

Eine Befreiung der Mehrwertsteuer wird für die Endverbraucher:innen direkt am Preisschild sichtbar: ob Spülmittel 1,50 € (verpackt, inklusive 19 % Mwst) kostet oder 1,26 € (selbst abgefüllt und somit von der Mehrwertsteuer befreit) macht einen Unterschied. Ob mein Joghurt im Plastikbecher 99 Cent oder 93 Cent im Pfandglas kostet, macht einen Unterschied. Ob Ich die Champignons für 2,80 € lose in meinen Einkaufskorb lege oder für die verpackte Ware 3 € bezahle, macht einen Unterschied. Verpackungsarmes Einkaufen wird attraktiver und somit werden automatisch Anreize für Hersteller und Produzentinnen geschaffen, unverpackte Produkte und solche im Mehrweggebinde anzubieten.

Die Weniger-Einnahmen für den Staat sind nur ein Bruchteil der Kosten, die Kunststoff verursacht. Nachhaltigkeit wird nicht nur zugänglich, sondern verständlich und vor allem eins: fair.

Bild von Chrissi Holzmann

Chrissi Holzmann

Chrissi Holzmann kümmert sich beim Unverpackt-Verband um PR und Öffentlichkeitsarbeit. In München lebt sie ihre Überzeugung im eigenen Unverpacktladen Servus Resi.
Du hast noch Fragen? Kontaktiere mich unter pr@unverpackt-verband.de.

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